Predigt über 1. Könige 8, 22-28
Pfarrer Dr. Matthias Figel (ev.)
Christi Himmelfahrt
Liebe Gemeinde,
⇒ da stehen sie,
die Jünger,
im Jahr 30 nach Christus,
und bekommen
den Mund nicht mehr zu
vor Staunen.
Sie sind noch
ganz benommen
von dem,
was gerade geschah.
Überrascht,
aufgewühlt,
überwältigt:
Eben war ihr Herr noch hier.
Hatte mit ihnen geredet,
sie seiner Nähe versichert:
„Siehe,
ich bin bei euch alle Tage
bis an der Welt Ende.“
Doch dann kam diese Wolke.
Plötzlich war sie da
und nahm ihn auf –
vor ihren Augen.
Den Jüngern
fällt es schwer,
zu realisieren,
was gerade geschah:
Was hat das zu bedeuten?
Wo befindet sich ihr Herr?
Ist nun alles vorbei?
Die gewohnte Nähe,
die klaren Anweisungen,
die anbrechende Gottesherrschaft.
„Jesus,
wo bist du?
Der Himmel hat dich aufgenommen –
wie kannst du weiter bei uns sein?“
ð Da steht er,
König Salomo,
im Jahr 959 vor Christus,
und bekommt
den Mund nicht mehr zu
vor Staunen.
Er ist noch
ganz benommen
von dem,
was gerade geschah.
Überrascht,
aufgewühlt,
überwältigt:
Eben
hatten die Priester
die Bundeslade
in das neuerbaute Heiligtum gebracht.
Die Einweihung
des fertig gestellten Tempels
lief wie geplant.
Doch dann
kam diese Wolke.
Plötzlich
war sie da
und nahm den Neubau in Besitz –
vor aller Augen.
Die Herrlichkeit Gottes
erfüllte den Jerusalemer Tempel.
König Salomo
fällt es schwer,
zu realisieren,
was gerade geschah.
Ergriffen
formuliert Salomo
sein Tempelweihgebet.
Wir finden es
im ersten Königebuch, Kapitel 8 –
es ist unser heutiger Predigttext:
„Und Salomo trat
vor den Altar des Herrn
angesichts der ganzen Gemeinde Israel
und breitete seine Hände aus gen Himmel
und sprach: Herr, Gott Israels,
es ist kein Gott
weder droben im Himmel
noch unten auf Erden
dir gleich,
der du hältst den Bund
und die Barmherzigkeit deinen Knechten,
die vor dir wandeln von ganzem Herzen;
der du gehalten hast deinem Knecht,
meinem Vater David,
was du ihm zugesagt hast.
Mit deinem Mund hast du es geredet,
und mit deiner Hand hast du es erfüllt,
wie es offenbar ist an diesem Tage (…)
Nun,
Gott Israels,
lass dein Wort wahr werden,
das du deinem Knecht,
meinem Vater David,
zugesagt hast.
Denn sollte Gott
wirklich auf Erden wohnen?
Siehe,
der Himmel
und aller Himmel Himmel
können dich nicht fassen –
wie sollte es dann
dies Haus tun,
das ich gebaut habe?
Wende dich aber
zum Gebet deines Knechts
und zu seinem Flehen,
Herr, mein Gott,
auf dass du hörst
das Flehen
und Gebet deines Knechts
heute vor dir.“
Salomo
geht der Mund über
vor lauter Staunen:
Gott,
den aller Himmel Himmel nicht fassen,
nimmt Wohnung in Jerusalem!
Der Unendliche
konzentriert,
bündelt,
fokussiert sich
auf einen Punkt.
Wählt
dieses Fleckchen Erde,
lässt sich im Tempel nieder,
lässt sich ansprechen,
lässt sich begegnen.
Hier
ist er ganz da,
hier offenbart er sich,
an diesen Ort bindet er sich.
Ohne dabei
seine Größe,
seine Souveränität
und Unfassbarkeit
zu verlieren.
Der ganze Gott
an einem Ort!
„Der Himmel
und aller Himmel Himmel
können dich nicht fassen –
wie sollte es dann
dieses Haus tun,
das ich gebaut habe?“
ð Da
stehen wir
als Gemeinde,
heute Morgen,
und bekommen den Mund
nicht mehr zu
vor Staunen.
Wir feiern Gottesdienst.
Haben ihn
im Namen des dreieinigen Gottes
begonnen.
Und vertrauen darauf,
dass Gott
in unserer Gemeinschaft
Wohnung nimmt –
so
wie damals
im Tempel.
Dass der erhöhte Christus
seine Verheißung wahrmacht,
einlöst
und erfüllt:
„Wo zwei oder drei
versammelt sind
in meinem Namen,
da bin ich mitten unter ihnen.“ (Mt 18, 20).
Der von einer Wolke
aufgenommen wurde,
steht zu seinem Wort:
„Ich bin bei euch alle Tage
bis an der Welt Ende.“ (Mt 28, 20).
Wie kann es sein,
dass der,
dem alle Gewalt gegeben ist
im Himmel und auf Erden,
heute Morgen
uns die Ehre erweist,
uns zu besuchen,
uns kleine Schar,
gewöhnliche,
durchschnittliche Menschen?
„Der Himmel
und aller Himmel Himmel
können dich nicht fassen –
wie sollte es dann
unsere Kirchengemeinde tun?“
Wie kann es sein,
dass der,
der zur Rechten Gottes sitzt
und uns vertritt,
heute Morgen
ganz Ohr sein will
um auf unser Gebet zu hören?
Dass ihm
nichts wichtiger ist
als unser Reden des Herzens
in Bitte und Fürbitte,
Dank und Anbetung.
Wo ist Jesus?
So fragen
die verlassenen Jünger.
Nur ein Gebet weit entfernt.
Der sich in einer Wolke verhüllt,
lässt sich finden im Gebet.
Wie kann es sein,
dass der,
der als König herrscht
und dem alles untertänig wird,
heute Morgen
das Bedürfnis hat,
zu uns zu reden?
Dass er sich
vom Himmel herab
ins Wort begibt,
im Evangelium sich offenbart,
im Zuspruch sich fokussiert:
„Fürchte dich nicht!“
„Dir sind deine Sünden vergeben!“
„Der Herr segne dich!“
Unser Herr kleidet sich
ganz unscheinbar
in menschliche Worte.
Wir hören sie
in der Schriftlesung,
in der Predigt,
in den Liedern,
beim Segen
und staunen:
„Der Himmel
und aller Himmel Himmel
können dich nicht fassen –
wie sollte es dann dein Wort tun?“
Wie kann es sein,
dass der,
dem alle Engel dienen,
nicht nur ein Kind
und Knecht wird,
sondern
sich in Brot und Wein begibt,
sich im Abendmahl
uns darreicht?
Im Altarsakrament
bietet sich der Erhöhte
selbst an: „Nehmt hin das Brot,
trinkt von dem Wein. …
Wenn ihr das tut,
will ich bei euch sein.“
(EG 587, 3 Württembergische Ausgabe)
Können wir uns
noch wundern
über dieses Wunder:
„Der Himmel
und aller Himmel Himmel
können dich nicht fassen –
wie sollte es dann
Brot und Wein tun?“
ð Da stehe ich,
kleiner Mensch,
und bekomme den Mund
nicht mehr zu vor Staunen.
Als kleines Kind
habe ich gebetet:
„Ich bin klein,
mein Herz ist rein,
soll niemand drin wohnen
als Jesus allein.“
Gott in mir?
Ich zögere,
diesen Gedanken zu denken.
Weil er so kostbar ist,
so zerbrechlich.
„Der Himmel
und aller Himmel Himmel
können dich nicht fassen –
wie sollte es dann
mein Herz tun?“
Als Erwachsener
kann ich nur staunen,
dass Christus
Wohnung nimmt
in mir.
Mein Leib
zum Tempel
des Heiligen Geistes wird. (1Kor 6, 19).
„Wie viele ihn
aber aufnahmen,
denen gab er Macht,
Gottes Kinder zu werden,
denen,
die an seinen Namen glauben.“ (Joh 1, 12).
Liebe Gemeinde,
die beiden Männer
in weißen Gewändern,
die nach der Himmelfahrt Jesu
plötzlich auftauchten,
fragten die Jünger:
„Was steht ihr da
und seht zum Himmel?“
Mit ihrem Erscheinen
gaben sie dem Blick der Jünger
und deren Gedanken
eine neue Richtung:
Lasst uns
an Himmelfahrt
nicht Jesu Abwesenheit,
seinen weit entfernten Thron beklagen,
sondern lasst uns
darüber staunen,
dass er
ganz
bei uns
sein will,
in unseren Gottesdiensten,
in unserer Gemeinde,
in seinem Wort,
in Brot und Wein,
in unserem Herz.
Amen.