Predigt über Jeremia 23,16-29
Pastor Michael Jordan (Ev.-Luth.)
anlässlich eines Sonntagsgottesdienstes mit drei Taufen, davon eine Erwachsenentaufe zu Trinitatis
Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserm Vater und unserem Bruder und Herrn Jesus Christus. Amen
Liebe Gemeinde,
warum wird die Kirche oft als langweilig empfunden,
verstaubt, uninteressant oder schlicht irrelevant?
Ich glaube, das liegt daran,
dass die Botschaft langatmig bekannt ist:
In der Kirche ist vom lieben Gott die Rede.
Und den lieben Gott lassen wir halt gern
den lieben Gott sein.
Mit unserem Leben jedenfalls hat das wenig zu tun.
Da gibt es genügend Stürme, in denen wir uns warm anziehen müssen.
Da ist der liebe Gott ein Gott bestenfalls aus Kindertagen,
vielleicht noch immer das Bild vom alten Mann mit langem Bart.
Und heute, in einem Taufgottesdienst,
angesichts der Freude über die Taufe von zwei Kindern
und angesichts der Freude, mit der Sie, Frau Missal, sich taufen lassen –
da ist klar, was zu erwarten ist:
eine Predigt voller Freude und im hohen Festton.
Wie gut, dass es da vorgegebene Predigttexte gibt,
die noch einmal eine ganz andere Seite Gottes aufziehen.
Für heute ist das ein Text des Propheten Jeremia -
einer der leidenschaftlichsten Propheten der ganzen Bibel.
Einer, der mit sich und mit Gott immer wieder hadert und streitet –
aber auch einer, der mit seinen Landsleuten hart ins Gericht geht,
wenn es geboten ist,
der vor dem klaren Wort und der Auseinandersetzung nicht zurück schreckt.
So auch in dem Abschnitt, den ich uns gleich vorlesen werde.
Ihm zugrunde liegt die Frage,
die auch uns angesichts der Krisen unserer Zeit
immer wieder umtreibt:
Ob das nun die Eurokrise ist,
die Frage des Atomausstiegs und der Energiewende
der Umgang mit Facebook und unseren persönlichen Profilen und Daten –
immer wieder stellt sich uns die Frage:
Wem der unzähligen Experten können wir vertrauen,
wessen Worte sprechen die Wahrheit –
oder wer ist einfach nur gut genug bezahlt,
um uns zu manipulieren?
Zur Zeit Jeremias gab es Hofpropheten,
die beim Königshof in Lohn und Brot standen,
die mitten in Zeiten der Krise die Leute beschwichtigt haben:
„Es ist alles nicht so schlimm. Es wird alles gut.“
Heute kennen wir das bei Atomunfällen oder auch anderen technischen Gaus, wenn die Pressesprecher mit sonorer Stimme mitteilen:
„Alle nötigen Vorsichtsmaßnahmen wurden getroffen.
Auf unsere Technik ist absolut Verlass.
Es hat zu keinem Zeitpunkt eine Gefährdung für die Bevölkerung bestanden.“
Gegen solche Berufs-Beschwichtiger und diejenigen, die auf sie hören,
entbrennt der Zorn Gottes.
Es stinkt bis zum Himmel
und von dort erschallt postwendend
mit Donnergrollen Gottes Wort,
aufgeschrieben im Buch des Propheten Jeremia:
Der HERR, der Herrscher der Welt, sagt:
»Hört nicht auf das, was die Propheten euch verkünden!
Sie halten euch zum Narren.
Sie sagen euch, was ihr Herz ihnen eingibt,
nicht was sie aus meinem Mund gehört haben.
Denen, die meine Warnungen nicht ernst nehmen, wagen sie zu verkünden:
'Der HERR sagt: Es wird euch blendend gehen',
und selbst denen, die ihrem eigensinnigen und bösen Herzen folgen, sagen sie: 'Ihr habt nichts Schlimmes zu befürchten.'
Keiner dieser Propheten hat je in meiner Ratsversammlung gestanden und von meinen Plänen gehört; keiner hat erfasst, was ich will!« …
»Ich habe diese Propheten nicht geschickt«, sagt der HERR,
»und doch sind sie losgelaufen;
ich habe nicht zu ihnen gesprochen
und doch reden sie und berufen sich dabei auf mich.
Wenn sie in meiner Ratsversammlung gestanden hätten,
dann müssten sie meinem Volk doch verkünden, was ich gesagt habe;
sie müssten es dazu anhalten, sein Leben und Tun zu ändern!«
Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der HERR,
und nicht auch ein Gott, der ferne ist?
Der HERR sagt: »Ich habe das Gefasel dieser Propheten satt.
'Ich hatte einen Traum, ich hatte einen Traum!', sagen sie
und wollen damit das Volk glauben machen, dass sie in meinem Auftrag reden. Aber alles, was sie vorbringen, ist Lug und Trug.
Wie lange soll das noch so weitergehen?
Was haben diese Propheten damit im Sinn,
dass sie Lügen verbreiten, ihre eigenen Hirngespinste?...
Der Prophet, der einen Traum hatte,
kann auch nur seinen Traum erzählen;
aber der, zu dem Ich gesprochen habe,
der wird zuverlässig Mein Wort ausrichten.
Man wird doch noch Weizen und Spreu unterscheiden können,
sagt der HERR.
Ist mein Wort nicht brennend wie Feuer,
und wie ein Hammer, der Felsen zerschmettert?
(Jer 23,16-29)
Nun, wie wirken solchen Worte auf Euch und auf Sie?
Was für ein Gott spricht da?
Ein zorniger, leidenschaftlicher und Wut schnaubender Gott,
dem die Zornesröte im Gesicht steht.
Ich kann solche Worte von Zeit zu Zeit gut hören.
Sie entsprechen meinem eigenen Denken und Fühlen,
wenn ich sauer werde,
weil uns angebliche Meinungsführer und Berufspropheten
in die Irre führen wollen.
Ist mein Wort nicht brennend wie Feuer,
und wie ein Hammer, der Felsen zerschmettert?
Ja, es gibt solche Zeiten,
in denen Gottes Wort festgefügte Meinungen
und schon immer geglaubte Wahrheiten wie Felsen zerschmettert.
Das habe ich in meinem ersten Jahr in Friedrichstadt so erlebt,
als wir Familie Yardimci Kirchenasyl gaben,
weil wir nicht daran vorbei konnten, dass Jesus gesagt hat:
Siehe ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen… (Offb 3,20)
Und er hat auch gesagt:
Ich bin ein Fremder gewesen, und Ihr habt mich aufgenommen. (Mt 25,35)
Damals haben sich manche Menschen
gegen ihre bisherigen politischen Meinungen und Wahrheiten entschieden,
und es haben sich Ihnen ganz neue Einsichten aufgetan,
sie haben sich für die Familie engagiert.
So haben damals z. B. ausnahmslos alle Fraktionen der Stadtvertretung eine Petition beim niedersächsischen Landtag eingereicht für ein Bleiberecht der Familie in Deutschland.
Oder ein anderes Beispiel für ein aufdeckendes und klares Wort,
in dem sich in meinen Augen mitten im Gespräch Gottes Wort offenbart hat:
In einer Erwachsenenrunde kommt das Gespräch auf Jugendarbeitslosigkeit
und die Lehrstellensituation.
Einer erzählt pausenlos von den Jugendlichen, die nicht arbeiten wollten
und die überhaupt kein Interesse hätten, eine Lehrstelle oder eine andere Stelle anzutreten.
Der Redner tritt sehr dominant auf.
Alle stimmen zu oder schweigen.
Bis ihn einer direkt anspricht:
Kennen Sie wirklich einen Menschen,
der nicht den Wunsch hat zu arbeiten, etwas zu lernen,
mit seiner Arbeit anerkannt zu werden
und mit seinem eigenen Geld seinen Lebensunterhalt zu verdienen
und sich etwas aufzubauen?
Kennen Sie einen Menschen, der das wirklich nicht will,
wenn er die Chance dazu hat? -
Schweigen in der Runde
Ich empfinde regelrecht den Zorn dieses letzten Redners,
der aus seiner Begegnung mit und Liebe zu Jugendlichen entspringt.
Solchen Zorn kennen wir alle, insbesondere als Eltern oder Großeltern,
wenn unsere Kinder und Enkel ungerecht behandelt
oder gar von irgendjemand beschimpft oder beschämt werden.
Das ist kein Zorn, der den anderen vernichten will,
das ist ein Zorn, der der Gerechtigkeit und dem Leben dienen,
ein Zorn, der das Recht und die Würde des Einzelnen aufrichten will.
Von solcher Art Zorn ist auch Gottes Zorn in unserem Text
gegen die falschen Propheten und bezahlten Beschwichtiger.
Gottes Wesen ist nicht, zornig zu sein.
Aber sein Wesen als liebender und Leben schaffender Gott
zeigt sich auch darin,
dass sein Zorn entbrennt,
wenn Menschen sich erdreisten
in seinem Namen falsche Wahrheiten zu verbreiten.
Darin zeigt sich letztlich, dass es unsere Aufgabe als „Bodenpersonal Gottes“,
als Christinnen und Christen ist und bleibt, zu unterscheiden
zwischen den Worten, die nur auf den eigenen Vorteil zielen
und denen, die das Recht aufrichten wollen
und die Würde des Einzelnen respektieren.
Kirche, die langweilig ist, verstaubt, uninteressant oder schlicht irrelevant?
Ich erlebe Kirche anders.
Lasst uns auch hier in Koldenbüttel diese andere Kirche
immer wieder entdecken und leben.
Streiten wir um die Wahrheit, um den rechten Weg,
hier Kirche und Gemeinde zu leben,
und tun wir dies in einem Geist,
der aufrichtet und Respekt bewahrt.
Ich freue mich darauf,
daran künftig teilzunehmen.
Amen