Predigt über Matthäus 13,44
Ev. Gefängnispfarrer i. R. Hermann Isert
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Sonntagabend auf dem Kornbühl"
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Sonntagabend auf dem Kornbühl"
Gesang: Preist den Herrn, unsern Gott ( 2x )
Text: ( Matthäus-Evangelium 13, 44 )
Mit dem Himmelreich
ist es wie mit einem Schatz,
im Acker versteckt.
Den fand ein Mensch
und verbarg ihn;
und in seiner Freude geht er her,
verkauft alles, was er hat
und kauft jenen Acker.
Liebe Kornbühl-Gemeinde!
Was ein S c h a t z ist, muß man keinem 10-Jährigen erklären. Ich erinnere mich, wie wir in diesem Alter Karl Mays „Schatz im Silbersee“ verschlangen, oder wie wir einen im Flußkies gefun-denen Taschenuhren-Deckel uns zu Gold wünschten. Es war dieselbe Sehnsucht, die auch die Goldsucher nach Alaska trieb.
Was ein S c h a t z ist, muß man einer 20-Jährigen nicht sagen:
Errötend folgt sie seinen Spuren
und ist von seinem Gruß beglückt.
Das Schönste sucht sie auf den Fluren,
womit sie ihre Liebe schmückt.
O zarte Sehnsucht! Süßes Hoffen!
Der ersten Liebe goldne Zeit!
Das Auge sieht den Himmel offen;
es schwelgt das Herz in Seligkeit.
Mag sein, ihr Schatz geht, doch die Sehnsucht nach ihm bleibt.
Den Weg zum S c h a t z h a u s muß man keinem Bankräuber beschreiben. Den hat er bereits selbst erkundet: wo man am Besten parkt und am Schnellsten das Weite findet. Bis er schließ-lich doch im Hafthaus landet und nun selbst wie ein Schatz gehütet wird. Seine Sehnsucht aber nach der Bank bleibt, es sei denn, er findet eine sozial verträglichere Sehnsucht.
In seinem Gleichnis beschreibt Jesus einen Menschen, der nicht nur Sehnsucht hatte, sondern auch den Schatz dazu fand. Genau-er gesagt: er bekommt den Schatz nicht gleich auf die Hand wie einen Lottogewinn, sondern er entdeckt ihn zunächst und trifft sodann seine Vorbereitungen, ihn zu heben. Mit diesem Thema reißt Jesus bei seinem Publikum sofort alle Türen der Sehnsucht auf.
Gesang: Preist den Herrn, unsern Gott....( 2x )
Die Geschichte des Schatzhebers mag man sich so vorstellen:
Der arme Knecht eines Bauern reißt eines Tages beim Pflügen aus dem Ackerboden einen riesigen Steinbrocken heraus. Beim Nachforschen stößt er auf weitere Mauersteine und in einem Meter Tiefe auf einen Behälter beträchtlichen Ausmasses. Mit der Pflugschar reißt er den Deckel ab. Aus dem Dreck blickt es ihn mit tausend glitzernden Augen an: brillanten-besetzte Arm-reifen, rubin-rote Halsketten, edelstein-verzierte Pokale, funk-elnde Diademe, aufeinander gestapelte Goldmünzen, zentner-schwer. Der Knecht ist wie vom Blitz getroffen. - Wie durch einen Unglücksfall ein Leben sich in einem Augenblick verändert, so verändert sich in einem Augenblick sein Leben durch diesen Glücksfall.
Der Knecht schaut sich vorsichtig um wie ein Dieb. Dann nimmt er ein goldenes Figürchen aus der Truhe, einen Vogel mit ausgebreiteten Flügeln, und legt ihn sich mit einer Schnur um den Hals: damit er diese Unglaublichkeit auch morgen noch glaubt. Er tritt den „Ort der Tat“ fest, pflügt zu Ende und geht glücksbesoffen nach Hause.
In seiner Kammer flüstert er sich selbst zu wie ein Gestörter:
1. Gebot Sei klug und schweige!Damit Dir niemand den Schatz entreißt. Sei unauffällig!
2.Gebot: Erkundige dich nebenbei, wem der Schatz rechtmässig
zusteht! - Er erfährt: Der Schatz gehört dem Eigentümer des
Ackers. Noch in derselben Nacht beschließt der arme Knecht,
den teuren Acker zu kaufen. Bloß womit? -
3. Gebot: Spare! Schluß mit dem flatterhaften Leben! Von jetzt
ab gilt: - Nimm alles Geld zusammen!
- Nimm alle Zeit zusammen!
- Und: Nimm dich selbst zusammen!
Obwohl er kaum geschlafen hat, fühlt er am Morgen in sich einen Atem für zwei. Pünktlicher als bisher geht er seiner Arbeit nach. Nichts ist ihm zu viel. Ihm ist, als gehe alles leichter und unfall-freier von der Hand. Man könnte ihn für einen unangenehmen Streber halten, wäre da nicht die Freundlichkeit, die von ihm aus-geht. Es ist, als ob das entdeckte Gold ihm aus allen Poren strahlt und ihn selbst zu einem Goldschatz macht.
Frauen, bisher recht kühl, fangen an, sich für ihn zu interessieren. Auch seine Arbeitskollegen bemerken im Lauf des Jahres die Veränderung und rätseln.
Sie sagen zu ihm: Gib’s zu: du hast einen Schatz! -
Da wird er zuerst blaß, dann rot und lächelt: Wer weiß!?
Auch seinem Bauern fällt die Veränderung auf: Der Knecht wirkt gar nicht mehr wie ein Knecht, sondern wie ein Freier, wie ein Unternehmer, dem selbst alles gehört; Er benimmt sich wie einer, der die Zukunft gewonnen hat und nun alle Hände frei hat für die Gegenwart.
Am 7. Jahrestag der Schatzentdeckung macht der Knecht Inven-tur, innerlich wie äußerlich. Innerlich: Er hat das Gefühl, er sei jünger geworden und lebe intensiver. Die Farben erscheinen ihm farbiger, die Musik musischer, die Düfte duftender, die Ge-sundheit gesünder, die Zunge schmeckender, die Menschen durchsichtiger, die Hunde freundlicher, die Welt weiter. Er hat ein unglaubliches Training hinter sich zu mehr Konzentration, Geduld, Klugheit und Freundlichkeit: als habe das äußere Gold sich zu innerem Gold verdoppelt. Dabei hat er - unfasslich genug - den Schatz noch gar nicht in der Hand. Es ist alleine die felsenfeste Gewißheit und Aussicht, die ihn beflügelt, wenn er morgens den Gold-Vogel küßt:
Der Schatz wird mein!
Die äußere Inventur ergibt: Er hat jetzt fast alles zusammen. Eines Tages gibt er bekannt, daß er all sein Hab und Gut verkau-fen will: Möbel, Geschirr, Erbstücke, Bettzeug, Werkzeug. Alles.
Die Leute sagen zu ihm: Machst du dich jetzt vom Acker? -
Er erwidert: Weit gefehlt: ich mache mich auf den Acker! -
Sie sagen: Auf den Acker deiner Liebsten? Wie heißt sie denn? -
Er erwidert: Meine Liebste heißt Golda Acker! -
Sie spotten: du bist ein seltsamer Ackermann! Was machst du jetzt? Da streckt er lächelnd die Hand zum Siegeszeichen aus.
Die Leute sagen: er ist übergeschnappt.
Am dritten Tag geht die Nachricht durchs Dorf. Der Knecht hat dem alten Bauern den großen Acker abgekauft und ist jetzt reicher als alle anderen. Hintendrein fangen die Leute an, ihn zu verstehen, und sie loben ihn für seine Klugheit und Geduld.
Gesang: Preist den Herrn, unsern Gott.... ( 2x )
An Jesu Predigtstil ist E i n e s besonders auffällig: Er vergleicht das Himmlische gern mit etwas überaus Irdischem: mit Geld und Geldgeschäften. Dabei ist der Mammon der größte Feind des Himmelreichs. Damit will Jesus seinen Zuhörern sagen: Wenn ihr wissen wollt, was es heißt, hinter etwas her zu sein, dann nehmt euch die Mammonsjünger zum Gleichnis. Seid s o hinter dem h i m m l i s c h e n Schatz her. Das sind überaus kühne Ver-gleiche. So gelingt es ihm, auf plastische Weise das Eine durch das Andere, das Immaterielle durch das Materielle zu veran-schaulichen, das Unsichtbare durch das Sichtbare. Diese Metho-de ist bestens geeignet, um durch etwas Diesseitiges das Jenseiti-ge darzustellen, durch etwas Gegenwärtiges das Zukünftige.
Wie könnte man den Leuten besser verdeutlichen, daß die Entdeckung des h i m m l i s c h e n Schatzes ungeahnte Kräfte in jedem freisetzt, als wenn man ihnen von einem i r d i s c h- e n Schatz erzählt, der seinen Entdecker völlig veränderte: zu einer Freiwilligkeit und Begeisterung, bei der jede Aufforderung zu spät kommt. - Wie könnte man den Leuten besser verdeutlichen, daß die Entdeckung des h i m m l i s c h e n Schatzes ein freies Geschenk von oben ist, als wenn man von der glückhaften Entdeckung eines i r d i s c h e n Schatzes erzählt. - Wie könnte man den Leuten besser verdeutlichen, daß es sich bei dem h i m m l i s c h e n Schatz um einen V o r t e i l handelt, als wenn man beschreibt, was einen i r d i s c h e n Schatzentdecker so besessen macht.
Was die Schnäppchen-Verkäufer im Laden wissen, weiß auch Jesus: Man muß beim himmlischen Sonderangebot die Leute bei dem packen, was sie als ihren Vorteil ansehen. Die Begierde, mit der sie die Pforten des Kaufhaustempels stürmen, kann man als Gleichnis sehen. Man stelle sich vor, daß die Leute so die Pforten des Himmelreichs stürmen, weil sie darin ihren Vorteil wittern und glauben, einen Vorteil für sich selbst und doch nicht zu Lasten anderer. Und in der Tat: wer einmal entdeckt hat, daß der Schatz des Himmelreichs keine Last und Erstickung dar-stellt, sondern ein Erwachen und Klug-Werden, eine Befreiung zu mehr Freude und Lebenskraft, der ist, exakt wie der irdische Schatzsucher, nicht mehr zu bremsen. So liegt also alles an der Entdeckung des himmlischen Schatzes, an der Bekanntmachung dieser frohen Botschaft, an der Verkündung dieses Evangeliums.
Dabei sei klargestellt: Der himmlische Schatz ist nicht nur für einige wenige Erwählte vorgesehen, für einige wenige Lieblinge des Himmels. Der Himmel kennt grundsätzlich keine Lieblinge. Lieblinge sind Egoisten, verzogene Kinder. Dem Himmel dageg-en sind a l l e seine Kinder lieb und wert. Der Knecht, von dem Jesus erzählt, steht nicht für einige wenige religiöse Lotto-Ge-winner gegen ein Heer von Verlierern. Vielmehr ist jeder, der dies Gleichnis hört, dazu ermutigt, sich in diesem Schatzheber wiederzufinden.
Gesang: Preist den Herrn, unsern Gott... ( 2x )
Es ist der Auftrag der Kirchen, die Entdeckung des himmlischen Schatzes aller Welt kundzutun und die Leute beim Heben des Schatzes anzuleiten. Leider haben wir von der Kirche diesen Auftrag oft mißverständlich und kontraproduktiv ausgeführt, so daß viele Zeitgenossen zweifeln: Ist der himmlische Schatz wirklich ein Vorteil? Ist er nicht vielleicht ein Nachteil? Eine Einschränkung von Leben, nach dem Motto: Was man will, das darf man nicht, und was man darf, das will man nicht. Immer wieder erlebt man, wie geistlose Bibel-Auslegungen und lebensfeindliche Kirchengesetze den Menschen schwere Lasten auferlegen, so daß die Betroffenen oft alle Freude am Leben verlieren und daran kaputt gehen. - Immer wieder kann man die-se Doppelzüngigkeit erleben: Da wird zwar der himmlische Schatz als höchstes Geschenk angepriesen, gleichzeitig aber mit so viel Haken und Ösen und Bedingungen eingeschränkt, daß immer mehr Menschen gerne auf solche Schätze mit Pferdefuß verzichten. Kein Geschäftsmann verhält sich so ein zweites Mal: im Schaufenster den billigen Jakob spielen und an der End-Kasse teure Überraschungs-Eier präsentieren.
Wie oft wird gerade in den Kirchen groß posaunt: Gott ist Liebe: bedingungslos, alle umfassend, ewig. Genau dies ist ja der große himmlische Schatz; das ist die uns geschenkte Gotteskindschaft, uns persönlich zugeeignet in der Taufe, gültig für Zeit u n d Ewigkeit, gültig vor u n d nach dem Tod. Und dann wird genau in denselben Kirchen doch immer wieder übel nachgekartet und mit der himmlischen S c h u f a gedroht, der „Schutzgemein-schaft für allgemeine Kredit-Sicherung“. Die führt ähnlich wie auf Erden so auch im Himmel eine schwarze Liste über alle Kre-dit-Unwürdigen und droht ihnen, heimlich oder offen, mit zeitli-chem oder gar ewigem Kredit-Entzug. Das nennt man: Angst und Zweifel säen, das nennt man: das Taufgeschenk wieder zurück-verlangen, das nennt man: den himmlischen Schatz wirkungslos machen, der alleine in der G e w i ß h e i t seine Kraft entfaltet, so wie die Kraft des Knechtes in seiner Gewißheit bestand.
Daß wir nach oben nicht kreditwürdig sind, ist wahrhaftig nichts Neues. Daß es schlecht bestellt ist IHM gegenüber mit unserer B o n i t ä t, wie die Banken sagen, mit unserem G ü t e -Siegel, das hat schon viele zur Verzweiflung getrieben. Daß wir, wie Paulus sagt, des „Ruhmes vor Gott ermangeln“, das soll man uns nicht ewig vorhalten. Der vorhin beschriebene Knecht war auch nicht kreditwürdig. Und trotzdem schenkte ihm der Himmel den Kredit. Dadurch gewann er den notwendigen Antrieb und w u r d e kreditwürdig. Dieser K n e c h t G o t t e s ist der Stammvater des himmlischen Geschenks, und wir sind seine Erben. Was für ihn gilt, gilt auch für uns. - Was eine irdische Mutter und ein irdischer Vater wissen, weiß auch der himmlische Vater; von ihm haben es schließlich die irdischen Eltern: Wer will, daß aus seinen Kindern was wird, der investiert in sie, bevor sie kreditwürdig sind, bevor sie irgendetwas vergelten können. Dann wird auch was aus ihnen, aus Erdenkindern u n d Gottes-kindern, und sie vergelten es vielfach durch Dank und Tat.
So ist nun dies die Wirkung des himmlischen Schatzes: daß wir vor Go tt nicht kreditwürdig sind, sondern von ihm kreditwürdig gemacht werden; daß wir vor Gott nicht liebenswürdig sind, son-dern von ihm liebenswürdig gemacht werden; daß wir vor Gott nicht glaubwürdig sind, sondern von ihm glaubwürdig gemacht werden. „Und dies alles aus lauter väterlicher, göttlicher Güte und Barmherzigkeit, ohne all mein Verdienst und Würdigkeit.“
Gesang: Preist den Herrn, unsern Gott....
Wenn wir den Herausforderungen unserer Gegenwart gewachsen sein wollen: der Globalisierung, dem Ansturm des Atheismus, der Überfülle der Angebote auf dem religiösen Markt, dann muß der bedingungslose himmlische Glücks-Schatz wieder aus dem kirchlichen Schutt ausgegraben werden: daß du Gottes Kind bist und es in Ewigkeit bleibst, egal wer du bist. Dieses Versprechen kann durch deine Schwachheit und Sünden nie und nimmer aus-ser Kraft gesetzt werden. Im Gegenteil: dieser Schatz h e i l t deine Schwachheit und Sünden. Dieser Schatz m a c h t dich würdig.
Mit s o einem Schatz läßt es sich leben;
mit so einem Schatz läßt es sich getrost sterben.
Mit dem Himmelreich ist es
wie mit einem Schatz,
im Acker versteckt.
Den fand ein Mensch
und verbarg ihn.
Und in seiner Freude geht er her,
verkauft alles, was er hat
und kauft jenen Acker.
Amen.
Musik: Jesu bleibet meine Freude......
( für Keyboard und Oboe )